Wo siehst du dich in fünf Jahren? Was ist dein Lebensplan? Welche Ziele verfolgst du im Leben?
Fragen, die ich so in der Art wirklich schon sehr oft gehört habe. Angefangen als Kind: “Was willst du mal werden, wenn du groß bist?” bis hin zu einer Interviewsituation vor kurzem: “Was würdest du sagen, wo du dich in fünf Jahren siehst?”.
Früher war diese Frage auch total in Ordnung für mich – und sogar mehr als das. Klar weiß ich, was ich im Leben möchte!
Das Leben läuft wie folgt: Schule, Ausbildung/Studium, arbeiten, Partner finden, heiraten, Haus bauen, Kinder bekommen, Hausfrau und Mutter sein, ggf. Teilzeitjob haben – glücklich sein bis ans Lebensende – fertig.
Darüber habe ich gar nicht nachdenken müssen, denn das war einfach so. Das ist nämlich das, was mir in meinem Umfeld vorgelebt wurde. Und weißt du was? Ich fand das toll! Ich wollte das genau so haben. Einen guten Job finden, wo ich bis in die Rente arbeite, mit Anfang 20 den Mann fürs Leben treffen, romantisch heiraten, ein tolles großes Haus auf dem Land haben, mit Mitte 20 Mutter werden und so weiter! Das war mein absolut safer Plan vom Leben.
Joa, hat nicht ganz funktioniert. Jetzt bin ich 32, habe keine Kinder, keinen Mann und nie auch nur etwas Ähnliches wie ein Haus besessen. Ganz im Gegenteil. Ich habe studiert, mehrmals den Job gewechselt, war ein Jahr lang arbeitslos um zu Reisen, habe acht Jahre in einer WG gelebt, meine vergangene 10-jährige Beziehung war zum Teil eine Fernbeziehung und mittlerweile habe ich nicht mal mehr eine Wohnung, wohne bei Freunden, in vorübergehenden Apartments, in Hotels oder meiner Mutter.
Da könnte die Frage aufkommen, was denn da passiert ist?! Und ich würde mal sagen, das Leben ist mir dazwischen gekommen.
Mittlerweile blicke ich komplett anders auf die Frage “Wo ich mich denn in fünf Jahren sehe!?”. Ich habe in den letzten Jahren feststellen müssen, dass das Leben kommt, wie es eben kommt. Und dass das Leben mal ganz gehörig auf meine Pläne scheißt. Denn nichts im Leben ist dauerhaft beständig – zumindest sollten wir aufhören, das zu denken. Beziehungen, Besitztümer, Wohnort, Job – all das ist heute eine Selbstverständlichkeit und morgen könnte es weg sein, weil wir es so wollen oder aber auch, weil es uns genommen wird. Natürlich will das keiner hören, weil das etwas mit Loslassen, Veränderungen und auch Verlust zu tun hat – und das mögen eben viele Menschen nicht. (Meine Gedanken zum Thema Loslassen habe ich auch schonmal aufgeschrieben.) Ich übrigens auch nicht unbedingt! Es kann aber auch Platz machen für etwas Neues, vielleicht etwas Besseres, für Wachstum. Und ganz ehrlich? Hätte ich das Leben an bestimmten Stellen nicht so genommen wie es kam und hätte stattdessen straight meinen Plan verfolgt, wären mir ganz schön viele coole Momente entgangen.
Klar, ich habe trotz allem auch gewisse Vorstellungen von meinem Leben. Ich hätte gerne mal gesunde und glückliche Kinder, einen Partner an meiner Seite, dessen Leben ich ergänze und der mein Leben ergänzt, eine kleine Wohlfühloase, die ich zuhause nennen kann – gerne mit schönem Garten am Meer, gute Freunde an meiner Seite, Zeit meinen Hobbies nachzugehen und einen Job der mir Spaß macht.
“Naja, siehst du, was redest du denn dann?!” könntest du jetzt erwidern, aber lass mich ausschreiben. Ich sehe das mittlerweile anders als noch vor ein paar Jahren. Es ist eine Idee von meinem Leben, die auf einer Momentaufnahme beruht und ich sehe die Dinge nicht als absolut gesetzt – im Vergleich zu früher. Denn sind die Freunde, die ich mir jetzt als “die guten Freunde an meiner Seite” in der Zukunft vorstelle, dann überhaupt noch Teil von meinem Leben? Gibt es wirklich so etwas wie “die ewige glückliche Liebe” und damit den Partner fürs Leben? Kann ich überhaupt Kinder bekommen oder werde ich “rechtzeitig” den Partner finden, mit dem ich Kinder bekommen kann? Wer weiß das schon…
Dieses Lebensplan Thema beschäftigt mich wirklich – insbesondere in den letzten Wochen, in denen ich mal wieder ein wenig Zeit hatte, um zur Ruhe zu kommen.
Aber egal wie ich es drehe und wende, ich merke, dass ich keine Pläne mehr aufstellen möchte. Ich glaube einfach nicht mehr an Pläne. Ich glaube nicht an deren Wahrwerden und ich habe das Gefühl, dass es mir die Möglichkeit nimmt heute zu leben, genau jetzt zu leben.
Mal ehrlich, ein Plan bedeutet doch auch irgendwie, dass ich stets auf etwas hin arbeite, was mich dann irgendwann glücklich machen wird, weil ich das Ziel erreicht habe. Aber das ist doch völliger Quatsch. Sobald das Ziel erreicht ist, sucht man sich ein nächstes Ziel, auf das man hinarbeitet. Und bei all den Plänen und Zielen rennt man den Weg so entlang, ohne ihn richtig wahrzunehmen. Aber der Weg macht nunmal den Großteil von unserem Leben aus – ist es nicht schade, dass wir den einfach so vorbeiziehen lassen?
Der Zen-Meister in dem Kloster, in dem ich mal für einige Tage war, hat gesagt, alles, was dir Stabilität gibt, ist das Hier und Jetzt. Alles andere sind Erinnerungen in der Vergangenheit oder Vorstellungen in der Zukunft – und das ist nicht die Realität. Jetzt gerade, genau jetzt, das ist die Realität.
Das hat mich auf einer tiefen Ebene sehr berührt, weil es so wahr ist und ich es bis zu diesem Zeitpunkt nie so wirklich bewusst auf dem Schirm hatte.
Durch all die Pläne und Vorhaben und Gedanken an Vergangenes oder Zukünftiges bleibt das Hier und Jetzt ganz schön oft auf der Strecke. Geht dir das auch so?
Dabei ist doch die Frage: Was will ich jetzt gerade? Was würde mich jetzt glücklich machen? Ein kühles Eis, weil es ultra heiß draußen ist? Ein Buch auf der Terrasse lesen? Möchte ich Sport machen? Oder will ich vielleicht einfach mit einem lieben Menschen einen Film schauen?
Es interessiert mich wirklich, denn ich spreche ja hier nur von meinen Erfahrungen und meinen Gedanken, aber wann bist du zuletzt morgens aufgewacht und hast mal ehrlich in dich hinein gehört, was du an dem jeweiligen Tag machen möchtest? Und zwar nicht, weil es dein Alltagstrott ist und du diese Dinge machen musst, sondern weil du richtig Lust drauf hättest und dir diese Sachen ein Lächeln ins Gesicht zaubern würden.
Also versteh mich nicht falsch. Natürlich soll man Ziele und Wünsche im Leben haben, die einen motivieren, Spaß machen und auf die man in irgendeiner Form hinarbeitet. Ich bin nur mittlerweile davon überzeugt, dass uns diese krampfhaften Pläne – wo sich auch nochmal die Frage stellt, ob das wirklich deine Vorstellung vom Leben ist oder die, die dir jemand anders (unbewusst) auferlegt hat, aber das ist nochmal ein anderes Thema?! – dazu bringen Chancen ungenutzt zu lassen, dass sie einen faul und auch blind dafür machen, immer mal wieder in sich hinein zu hören, ob man noch auf dem richtigen Track ist, ob man die einzelnen Tage wirklich nutzt, genießt und das Beste daraus macht.
Und abgesehen davon, was wäre denn, wenn du morgen aufwachst und feststellst, dass du deinen Job nicht mehr machen möchtest, dein Partner dich verlässt oder deine beste Freundin in eine andere Stadt zieht? Bist du darauf vorbereitet? Also ich war es lange Zeit nicht, aber Veränderungen gehören zum Leben dazu – und auch wenn es jetzt vielleicht nicht immer so klingen mag, sind sie positiv und eine Chance, um neue Erfahrungen zu sammeln, sich weiterzuentwickeln und auch über sich hinaus zu wachsen.
Ich versuche mittlerweile dankbar und glücklich über das zu sein, was ich jetzt gerade habe, den Ort zu schätzen, an dem ich heute bin und vor allem die Zeit mit den Menschen zu genießen, die ich gerade um mich habe.
Solange es geht, solange ich es möchte. Und wenn sich daran etwas ändert, dann fühlt es sich manchmal sehr gut an und manchmal eben auch sehr beschissen, aber genau so ist es eben, das Leben. Ein Auf und Ab, ein Kommen und Gehen, ein Weg mit unzähligen Möglichkeiten, wenn wir sie erkennen und nutzen.