Grundsätzlich hätte ich mich immer als Person beschrieben, die an Beziehungen, Orten, Dingen, die wichtig für mich sind und auch waren, festhält. Aber was, wenn sich all das nicht festhalten lässt? Wenn es einfach aus meinem Leben verschwindet, ob ich nun will oder nicht?
Ich gehe mal davon aus, dass ich mit diesen Gedanken oder Gefühl nicht alleine bin, denn haben wir nicht alle schon einmal jemanden oder etwas Wichtiges oder Geliebtes verloren? Und ja, das ist auch ok oder normal so, denn so funktioniert nun mal das Leben – meine ich.
In den letzten vier Jahren bin ich persönlich auf zwei sehr harte Proben gestellt worden, was das “Loslassen” angeht. Ich wollte festhalten, an dem Alten, dem Bewährten, wollte dieses Gefühl nicht verlieren, die Menschen nicht verlieren – aber letztendlich hatte ich keinen Einfluss darauf.
Erst vor einem Jahr habe ich mich dann sehr intensiv mit dem Thema “Loslassen” beschäftigt, viel darüber gelesen und das Thema in unzähligen Stunden in meinem Kopf kreisen lassen. Was mir dabei klar wurde? Nichts im Leben ist von Dauer.
All die Dinge, die ich habe – ob es nun Beziehungen sind oder Besitztümer – können jederzeit weg sein, gewollt oder ungewollt. Eine beschissene Erkenntnis, oder?
Das hat schnell die Frage aufkommen lassen, warum ich denn überhaupt so beharrlich an Dingen festhalten möchte. Warum hat es mich und ja, macht es mich oft auch immer noch so traurig, (ehemals) Geliebtes gehen zu lassen? Warum sprechen wir überhaupt vom “Loslassen”? Wie komme ich darauf, dass vor allem Personen mir gehören? Denn, wenn ich nicht denken würde, dass ich sie besitze, müsste ich sie ja auch nicht schmerzlich „loslassen“, oder? Habe ich Angst davor, im Leben alleine zu sein? Habe ich Angst, Statussymbole oder Besitz zu verlieren? Wenn es Angst ist, warum habe ich diese Angst? Weil es mein Leben unvorhersehbar, nicht planbar macht? Weil es mir die Sicherheit nimmt, die ich gerne für mein Leben hätte? Denn ist es nicht so, dass ich an Dingen festhalte, weil sie mir eine gewisse Sicherheit geben und sich Sicherheit gut anfühlt? Ich würde sagen, ja.
Was denkst du darüber? Wie ist das bei dir?
…
Ich glaube oder ich sage besser, ich habe geglaubt, mein Leben ist planbar, aber weißt du was? Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass ein Leben absolut nicht planbar und Loslassen ein ganz normaler Teil des Lebens ist. Ich muss nur einfach den „richtigen“ Umgang damit finden. Und klar, du kannst Eckpfeiler im Leben haben, aber meine Erfahrung zeigt mir, dass der “sichere” Weg einfach nicht existiert. Und sich damit abzufinden und diese Haltung zum Leben zu entwickeln, ist für mich reine Kopfsache und klar, ein Prozess.
Ein Prozess, in dem ich mich seit einem Jahr intensiv befinde. Am Anfang hat mich der Gedanke des Loslassens, weil ich aber auch in einer intensiven Situation war, unendlich traurig gemacht. Wenn ich mal eine intensive emotionale Beziehung zu jemandem zugelassen habe – womit ich mich eher schwer tue – fällt es mir sehr schwer, das wieder aufzugeben.
Doch was ich verstanden habe ist, dass ich ein Individuum bin, das eigenständig und grundsätzlich erst einmal alleine sein Leben führt. Das Schöne ist, dass ich Menschen an meiner Seite habe, mit denen ich gemeinsam diesen Lebensweg gehen kann. Mal sind wir genau auf der gleichen Spur unterwegs. Mal biegt einer ab und wir entfernen uns so weit, dass wir uns vielleicht nie wieder sehen. Eine andere Person ist vielleicht auf eine Parallelstraße gefahren, wir sehen uns noch, winken uns ab und an zu, aber jeder geht im Prinzip alleine seinen Weg. Manchmal biegen Menschen ab und stoßen bei nächster Gelegenheit wieder dazu. Sicher ist, dass mir auf meinem Weg immer wieder neue Menschen begegnen, bei denen ich merke, dass es bereichernd ist, gemeinsam (zumindest ein Stück des Weges) zu gehen. Das ist eine Vorstellung, die mir hilft, das Loslassen gelassener zu sehen.
In einem Buch von Laura Malina Seiler habe ich gelesen, dass die Natur die Kunst des Loslassens beherrscht wie niemand anderes. Wenn der Herbst kommt weiß der Baum, dass es Zeit ist, sein wunderschönes Blätterkostüm fallen zu lassen. Denn nur dann kann er im nächsten Frühjahr wieder neu aufblühen. Auch das ist eine Metapher, die mir im Zuge des Loslassens wirklich oft hilft.
Doch schöne Metaphern hin oder her, ganz ehrlich, auch wenn ich mittlerweile mein Mindset dahingehend verändern konnte, fällt es mir nach wie vor schwer Menschen, Orte, Dinge – aber eben vor allem Menschen – ziehen zu lassen, übrigens auch, wenn ich mich dafür entscheide. Es ist ja nicht immer so, dass man keinen Einfluss darauf hat. Manchmal muss man sich ganz aktiv von etwas oder jemandem trennen, weil es einfach besser ist.
Ich muss mich wirklich immer wieder selbst daran erinnern und mir vor Augen halten, dass ich das Leben mit all seinen Facetten nicht planen kann. Dass all die Menschen, die Teil von meinem Leben sind, auch Teil meines Lebens bleiben, wenn es so sein soll. Und wenn sie eben kein Teil meines Lebens mehr sind – weil sie es nicht möchten oder ich es nicht mehr möchte, dann hat das seinen berechtigten Grund. Dann kann ich dankbar dafür sein, dass es diese Person in meinem Leben gab und ich etwas von ihr lernen und mitnehmen durfte. Ich besitze sie nicht und wenn sie oder ich die Spur wechseln oder eben abbiegen möchten, dann ist das ihr oder eben mein gutes Recht.
Und warum schreibe ich das jetzt eigentlich? Gute Frage. Wahrscheinlich weil mich in den letzten Tagen das Thema “Loslassen” wieder intensiv beschäftigt. Und ja, ich weiß ich kann es nicht planen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass jemand meine Spur verlassen will – oder verlasse ich vielleicht die gemeinsame Spur? Fakt ist, dass mich der Gedanke an getrennte Wege tief traurig, unglücklich und unzufrieden macht – obwohl ich gleichzeitig mit Freude auf meinen weiteren Weg schaue. Irgendwie paradox…
Ich glaube, diese Zeilen habe ich gebraucht – so wie das tatsächlich eigentlich auch mit den Zeilen aus all den Texten hier ist – um mich selbst zu sortieren. Es hilft mir sehr, meine Gedanken aufzuschreiben, um etwas Ruhe in den Kopf zu bringen. Und es ist eine kleine Erinnerung an mich selbst: Vanessa, du kannst dein Leben nicht planen. Genieße jeden Moment mit dem was du hast und mit den Personen, die du um dich hast. Sei dankbar für all die Erlebnisse, die du teilen kannst und vertraue darauf, dass der Weg für den du dich aus deinem Herzen entscheidest der Richtige ist und die Menschen, die dich dabei begleiten ebenfalls die Richtigen sind.
Und damit schließen wir das Gedankenbuch für heute…Danke fürs Zuhören!